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  Divide et impera
Multimediale Publikation auf XML-Basis mit SOLYP-MCMS

Von Thomas Nagel

Mit der Maxime "divide et impera" war schon die Außenpolitik des römischen Imperiums gut bedient. Die in getrennten Verhandlungen gewährten individuellen Privilegien machten den Gegnern nicht nur die Fremdherrschaft schmackhaft, sondern verhinderten gleichzeitig die Bildung einer geschlossenen Front gegen die Eroberer. Was in der Politik seit antiken Zeiten recht ist, ist für die Beherrschung digital erzeugter Daten nur billig. Im Content Management spielt die unkontrollierte Vermengung von Inhalt und Layout die Rolle des größten Gegners einer Beherrschung abgespeicherter Daten. Wer frei über seine Inhalte verfügen will, muss teilen, um zu herrschen. Das Technologiehaus Solyp hat ein entsprechendes Konzept entwickelt.

Effizientes Content Management, also die Umsetzung des theoretisch vorhandenen Potenzials von XML, ist eng verbunden mit der erfolgreichen Realisierung des Prinzips "Teilen und Herrschen". Die gemeinhin verfochtene Argumentation lautet sinngemäß so: Kann inhaltsbezogene Information von layoutbezogener getrennt werden, steht medienneutraler Content zur Verfügung, der (um das Modewort zu benutzen) crossmedial publiziert werden kann. Ganz so einfach ist es nicht: Auch mit XML verbergen sich unter dem Mantel der prinzipiellen Möglichkeit einige Hürden, die erst einmal überwunden sein wollen.

Szenarien der Teilung
Im Wesentlichen ist es ein Problemkomplex, der im Kontext der Trennung von Inhalt und Layout immer wieder auftaucht: Akribisch betrachtet kann die Trennung Inhalt-Layout nie eine absolute sein. De facto besteht immer eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen beiden Ebenen. Salopp formuliert, steckt in jeder Auszeichnung von Inhalten mit XML-Tags immer schon eine Layout-Absicht drin. Ein einfaches Beispiel: Wenn eine Überschrift als solche, nämlich mit <headline>...</headline> indiziert wird, ist sonnenklar, dass sie immer über einem Text platziert wird. In den allermeisten Publikationsformaten soll sie mit höchster Wahrscheinlichkeit in relativ großer Typo und natürlich "fett" dargestellt werden.
Abgesehen von diesem sehr strengen Einwand ist eine Trennung von Content und Layout, also die Reinhaltung der inhaltsbezogenen Auszeichnungen von sämtlicher expliziter Layoutinformation, natürlich machbar. Eine andere Frage ist, ob sie speziell im Content Management tatsächlich Sinn macht.

Nachrichten

Neuronale Netzwerke haben gar nichts mit Medizin zu tun, sondern mit Informatik.
Man nutzt die Forschungen von Neurowissenschaftlern lediglich als Ideen im Informatikbereich.
D.h. man lernt letztendlich wieder von der Natur.
Aber man macht jeden Tag etwas gegen die Natur, bis sie endlich total kaputt ist.

 

Das Beispiel in Abbildung 1 zeigt eine Meldung, die eine farbige Markierung enthält. Die Autorin oder der Autor dieser Zeilen hat zu einem der gebräuchlichsten Mittel der Hervorhebung gegriffen, um eine Aussage besonders zu betonen. Bei einer weitestgehenden Trennung von Inhalts- und Layoutebene müsste im Eingabe-Tool des Redaktionssystems Verzicht auf diese und ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Fließtexts geübt werden. Wer unter diesen Bedingungen noch kursive, fette, farbige oder sonst wie hervorgehobene Textstellen publizieren wollte, müsste den folgenden Publikationsprozess unterbrechen und die gewünschte Textgestaltung in mühsamer Kleinarbeit erledigen. Dass ein derartiges Vorgehen in den allermeisten Fällen glatter Unsinn ist, dürfte einleuchten. Festzuhalten bleibt: Ein Eingabe-Client, der ausschließlich inhaltsbezogene Auszeichnungen erlaubt, erscheint in dieser buntschillernden multimedialen Welt nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes farblos, sondern vor allem reichlich unflexibel.

Verhängnisvolle Formen des Frevels
Soll ein Content Management-System nicht nur crossmedial, sondern tatsächlich multimedial publikationsfähig sein, d.h. alle Möglichkeiten der jeweils angepeilten Zielmedien im Einklang mit den Auszeichnungswünschen der Redaktion voll ausnutzen, erweist sich die reine Lehre der möglichst strikten Trennung von Inhalt und Layout als unbefriedigend. Im Sinne von "divide et impera": Die Stelle, an der getrennt wird, ist nicht ausreichend klug gewählt. Zwar funktioniert die Trennung, die Daten werden jedoch nicht im gewünschten Umfang beherrscht.

Für ein Mehr an (multimedialer) Flexibilität scheint es also angebracht, über einen Frevel gegen die reine Lehre nachzudenken und die Position der Trennlinie zu verschieben. Die Tendenz dieser Verschiebung muss vor dem skizzierten Hintergrund klarerweise dahin gehen, Layout-Auszeichnungen in die Content-Ebene zu integrieren.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Auch wenn sie nicht großflächig proklamiert wird, benutzen so manche Anbieter von Content Management-Systemen HTML oder XHTML als "Vehikel" zur Transformation der einzelnen Content-Bestandteile ins angestrebte Zielformat. Genau dieser Frevel erweist sich allerdings als verhängnisvoll. Setzt man obiges Nachrichtenbeispiel mit HTML um, könnte das so aussehen wie in Listing 1.

So lange aus dem Content nichts weiter als HTML erzeugt werden soll, funktioniert alles reibungslos. Ist aber beispielsweise ein PDA ohne Farbdefinition das Zielmedium, wird die Angelegenheit schon komplexer. In Ermangelung der Farbigkeit muss auf andere Formen der Hervorhebung wie "fett", "kursiv" oder Ausrufezeichen zurückgegriffen werden. Gibt es nur eine HTML-Auszeichnung, d.h. ist der rot markierte Satz auf der XML-Ebene einfach Bestandteil des Fließtextes, wird die Interpretation von <font ... color="Red"> für einen PDA ohne Farbdefinition nahezu unmöglich. Mit dem schlichten Farb-Tag und ohne eine semantische Ergänzung wie beispielsweise "Hervorhebung" kann ein XSLT- oder sonstiges Publikationsmodul in diesem Fall nichts anfangen.

Dies ist nur ein einfaches Beispiel für semantische Probleme, die bei der Verwendung von HTML als Layoutauszeichnung entstehen können. Wird dem Content HTML- oder XHTML-Grammatik untergeschoben, entstehen Schwierigkeiten, die den hier gegebenen Rahmen sprengen würden.

Um einer allzu eilfertigen Kritik an obigen Ausführungen vorzubeugen, sei noch Folgendes bemerkt: Mit ziemlicher Sicherheit kann zur Lösung dieses und ähnlicher Probleme im Kontext der Einbindung von HTML- oder XHTML-Auszeichnungen in XML-Code mit relativ hohem Aufwand ein Programm entwickelt werden. Allerdings bleibt die Wirkung solcher Lösungen immer auf ein spezielles Problem oder einen entsprechenden Problemzusammenhang begrenzt. Die grundsätzliche Problematik besteht weiter.

Erfolgreich freveln
Die Verschiebung der Trennlinie zwischen Content- und Layoutebene ging in die richtige, weil einzig mögliche Richtung. Nur wird mit HTML und seinen Derivaten als Layoutauszeichnung in XML der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. War es doch nicht zuletzt auch die Unzulänglichkeit dieser Sprache, die überhaupt zur Entwicklung von XML führte. Anders ausgedrückt: Geteilt wurde an der richtigen Stelle, beherrscht wird nur eine sehr begrenzte Anzahl von Publikationsformaten, weil durch die Nutzung von (X)HTML eine wichtige Voraussetzung für cross- oder multimediales Publizieren unter den Tisch gefallen ist: die Medienneutralität.

Die Herausforderung auf dem Weg zu unbegrenzter Variabilität in Sachen Publikation besteht demnach darin, eine medienneutrale Syntax zur Layout-Auszeichnung innerhalb der Content-Ebene bzw. innerhalb von XML zu entwickeln.

Ein entsprechendes, bereits im professionellen Einsatz bewährtes Konzept kommt von Solyp, einem Software-Technologiehaus mit Sitz in Nürnberg und Hannover, das ein vielseitig einsetzbares medienneutrales Enterprise Content Management-System (SOLYP-MCMS 3.10) anbietet. Solyp setzt bei der Kreation von medienneutralen Layoutinformationen auf eine eigentlich nahe liegende Lösung. Nicht nur zur medienneutralen Auszeichnung von Inhalten, sondern auch zur Definition von Layout kommt ganz einfach das medienneutrale XML zum Einsatz.

Bei der Umsetzung des obigen Textbeispiels mit (X)HTML lag das Problem bei der fehlenden Semantik des Tags <font ... color="Red">. Für Plattformen ohne Farbdefinition gab es deshalb keine Möglichkeit, die Hervorhebung in anderer Weise zu realisieren.

Die medienneutrale Alternative mit einer Auszeichnung der Hervorhebung in XML findet sich in Listing 2. Die mitten im Text des Absatzes befindliche Hervorhebung wird mit dem XML-Tag <marked>...</marked> ausgezeichnet. Bedingt durch die nun vorhandene, medienneutrale Semantik ist es ohne Schwierigkeiten machbar, in der XSLT-Transformation für jedes Zielformat eine entsprechende Umsetzung anzusteuern. Nach diesem Prinzip können nahezu alle Optionen der Textgestaltung medienneutral ins XML-Schema integriert werden, wie im Beispiel unter anderem <italic>...</italic> oder <bold>...</bold>. Unterstützt irgendein Zielmedium oder -format eine Layout-Spezifikation partout nicht, wird diese im Zuge der Transformation einfach ignoriert.

Ein weiterer Vorteil: Ändert sich, was ja hin und wieder vorkommen soll, das Corporate Design eines Unternehmens, wird die Anpassung von zentraler Stelle aus vorgenommen. Passt beispielsweise die Farbe Rot nicht mehr zum neuen Design des Webauftritts, müssen nicht alle Hervorhebungen auf sämtlichen HTML-Seiten einzeln geändert werden. Eine Änderung der Farbdefinition für <marked>...</marked> im zuständigen XSLT-Modul genügt.

Transformation
Das XML-Dokument mit XSLT für das Zielformat HTML aufzubereiten, macht klarerweise wenig Probleme (siehe Listing 3). Eine weitere Möglichkeit wäre die in Listing 4 gezeigte XSLT-Transformation der Nachricht nach FO. Aus dem FO-Code in Listing 5 können beispielsweise mit Hilfe von Apache FOP verschiedene Formate wie PDF oder RTF erzeugt werden.

Teilen und herrschen
Mit einem derartigen Konzept lässt sich die alte Demarkationslinie zwischen Inhalt- und Layoutinformation ohne Einbußen verschieben. Aus der Auszeichnung der Layoutinformation im XML-Schema erwächst eine höchstmögliche Flexibilität: Es wird nach wie vor medienneutral geteilt, mit dem Unterschied, dass nun auch die multimediale Herrschaft uneingeschränkt ausgeübt werden kann.

Was für das sehr reduzierte Beispiel funktioniert, hat sich auch im professionellen Bereich bewährt. Der in Java implementierte Eingabe-Client des SOLYP-MCMS ist komplett nach dem Prinzip, XML zur Erzeugung medienneutraler Layoutinformation zu nutzen, aufgebaut. Damit ergibt sich eine Vielzahl von Optionen für medienneutrale Textgestaltung.

Thomas Nagel (www.textropur.de) arbeitet als freier Journalist und Texter. Unter anderem betreut er die Presse-/Öffentlichkeitsarbeit von Solyp.

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